Freitag, 20. März 2015

Ferienjob auf dem Bauernhof

Nachdem die Weihnachtsferien für uns freiwillige also bald, aber erlebnisreich vorbei waren, hieß esfür uns... JOBSUCHE! Die Schulferien gehen schließlich bin März und zwei Monate arbeitslose Freiwillige; das geht ja so nicht.
Schon vor Weihnachten hatten wir natürlich Ausschau nach möglichen Arbeitsplätzen gesucht und ich hatte das Anliegen, möglichst in eine andere Stadt oder gar Landesteil zu gehen, um das Land besser kennenzulernen.
Mein Wunsch hat sich erfüllt. Wir packten unsere Rucksäcke so voll wie noch nieund verabschiedeten uns - bei unserer Gastomi sogar unter Tränen - für 6 Wochen von Lima, seinem Lärm und Trubel. Der Bus brachte uns 24h später nach Puno, die größte Stadt am höchsten schiffbaren See der Welt, dem berühmten Titicacasee.
Nach einem Tag ankommen und durchschnaufen... 4000m sind eben doch nicht so sauerstoffreich... holte uns Orfa, unsere dortige Gastmama und Brigadamitarbeiterin, und es ging mit 3 Bussen in 3 Stunden in die Comunidad de Yajchata.
Yajchata... wo soll ich anfangen? 70 Einwohner, 300 Kühe, 500 Schafe, 200 Lamas und Hühner, Katzen, ja, sogar die Meerschweinchen gehören dazu, denn außer den Lebewesen gibt es in Yajchata nur eine einzige Straße und eben die teils leerstehenden Lehmhütten der Höfe.
Alles in allem ist das Dörfchen also die Ruhe selbst. 3 Minivans, die am Tag die Leute in das 20min entfernte Azangaro, die Kreishauptstadt, fahren und eine Grundschule, die in den Ferien natürlich zu hat und ein Puesto de Salud, also eine Krankenstation, wo ein Arzt zwei mal wöchentlich die Kranken kostenlos behandelt.
Von Montag bis Freitag halfen wir also auf Orfas Hof: Kühe melken (per Hand natürlich), Schafe und Lamas auf die Weide treiben und festbinden, Hühner füttern, Käse machen, kochen (eigentlich kocht man noch auf dem offenen Kuhfladenfeuer, aber Orfa hat schon einen kleinen Gasherd), abwaschen, Kartoffelfelder pflegen, Tiere eintreiben und um 7 ging es ins Bett. Wie ruhig so ein Tag ohne Internet oder Fernsehen sein kann, genial!
Das Leben auf dem Land ist einfach und hart. Die Felder werden allesamt mit der Hand und ohne Maschinen bearbeitet, viel zum Verkaufen bleibt nicht übrig, sodass das einzige Geld durch den Verkauf von Tieren auf dem Markt in die Familie kommt. Das reicht kaum für Schuluniformen für die meist zahlreichen Kinder, die als Arbeitskräfte aber auch gebraucht werden und noch entstehende Busfahrten.
Es gibt zwar seit 2 Jahren Strom, aber eben keine technischen Geräte. Lesen können die wenigsten. Gesprochen wird hauptsächlich Quechua, aber die meisten sprechen oder verstehen zumindest Spanisch. Die Gemeinden haben mit vielen Problemen zu kämpfen. Mangelnde Hygiene (es gibt keine Toiletten oder duschen, nur die freie Natur), starke Umweltverschmutzung (der Dorfladen verkauft zwar Plastikflaschen und Chipstüten, aber eine Müllabfuhr gibt es nicht), Inzucht der Tiere, eine hohe Kindersterblichkeit,Vitaminmangel und daraus filgende Erkrankungen wie Anämien etc.
Ohne die staatlichen Zuschüsse könnten die Menschen in dem Rauen Klima nicht überleben, die Wintermonate (April bis Dezember) sind eisig und trocken, im Sommer regnet es täglich und das karge Land steht unter Wasser.
Absicherungen bei Ernteausfällen oder Viehseuchen gibt es natürlich nicht. Genauso wenig wie für die, die körperlich die Arbeit auf dem Feld nicht mehr bewältigen können. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als in die Städte zu ziehen und zu betteln.
Den doch recht eintönigen Alltag wissen sich die Bewohner Yajchatas allerdings zu versüßen: es gibt tausende Traditionen und Bräuche, die immer in einer kleinen Feier enden.
Wir hatten das Glück, zum Karneval dort zu sein.
Orfas Familie kam also auf den Hof, schmückte mit Luftschlangen den Hof, bereitete das am Tag zuvor geschlachtete Lama traditionel auf dem Feuer zu, hielt ein Ritual, was das Eingraben von in Wein eingelegten Kokablättern beinhaltet, ab und danach wurden die Tiere verheiratet: Dem frischen Kuhpärchen wurden nur mit Girlanden geschmückt; dem Schafpärchen jedoch gng es ran an die Knorpel: von beiden wurde ein Stückchen Ohr abgeschnitten und an einem heiligen Ort vergraben. Danach gab es Volksmusik aus dem Autoradio und Bier, aber natürlich nicht zu lange, da nach Sonnenuntergang keine Lampe den Hof beleuchtet und es schnell auf 3 Grad abkühlt.
In Azangaro wurde der Karneval ausgiebiger gefeiert: alle Gemeinden 8auch Yajchata) schickte seine Tänzer in ihren traditionellen Uniformen (meist ein roter Rock mit weißer Bluse und Hut) auf die Straße und man brachte dem Bürgermeister ein Opfertier (Hasen, Meerschweine, Rebhühner, Füchse...). Alle schauten zu und aßen Eis und tranken Kola und das ganze war wie ein kleines Stadtfest. Kostüme, so wie in Deutschland üblich, sucht man hier jedoch vergeblich.
Ich habe die Zeit auf dem Land wirklich genossen. Natürlich hatte man viele Bequemlichkeiten wie ständig fließend Wasser oder eine Heizung nicht, aber genau diese Ruhe tat nach 6 Monaten Gro´stadt richtig gut.
Es ist wirklich schade, dass es in der Gegend noch keinen Pprojektplatz gibt. Es gäbe viele Einsatzmöglichkeiten für Freiwillige: Englischlehrer sind gefragt, der Doktor könnte gut einen Begleiter bei Aufklärungsgesprächen brauchen (Verhütung, häusliche Gewalt, gesunde Ernährung, Hygiene, all das sind bisher noch wenig angesprochene Themen), genauso wie es an einer Müllhalde fehlt. Wir haben jetzt mit Orfa einen Antrag an das weltwärtsbüro verfasst und werden mal schauen, was dabei rauskommt.
Eine riesen Erfahrung war es alle mal und wir kommen gerne wieder!

Während unserer 6 Wochen auf dem Hof hatten wir allerdings auch zwischendurch unser Halbzeitseminar. Wir sprachen mit unserem Betreuer und kamen zu dem Schluss, dass ein Projektwechsel und damit auch Tapetenwechsel die wohl das Beste für unsere Gastfamilie und uns sei.
Aus gesundheitlichen Gründen hat unsere jetztige Gastfamilie viel um die Ohren, wodurch die Stimmung in den letzten Wochen angespannt war. Auch unser Arbeitsplatz, die Grundschule, ist ein Grund für den Wechsel: die Kommunikation funktioniert auch nach mehrmaligen Gesprächen nicht und im neuen Stundenplan wären wir wieder als voller Lehrerersatz statt Unterstützung vorgesehen.
Ich persönlich finde es der Yachay-Projekten wegen wirklich schade, freue mich allerdings darauf, Lima endgültig zu verlassen. Es war ja kein Geheimnis, dass ich mich nie mit der Stadt und den Menschen ganz angefreundet hatte.
Heute ist also unser letzter Abend und morgen sind wir in Palca, einem kleinen Dorf in den Bergen, allerdings nur eine Stunde vom Regenwald entfernt. Dort werden wir mit einer weiteren Freiwilligen in dem Haus der Brigada leben und uns allein versorgen. Unsere Aufgaben suchen wir uns dann dort vor Ort: Feldarbeit mit den Kindern, Hausaufgabenhilfe, Kochkurse für die Mütter, Spielabende, Sport.. uns steht alles offen und wir werden mal schauen, wo Interesse besteht :-)
In Palca soll es allerdings keinen Internetzugang geben; aber das werden wir ja auch sehen und ich bin mir sicher, dass die Berichterstattung über eine andere Stadt weiterhin stattfinden kann ;-)
Bis zum bald also!
Beste Grüße ein letztes Mal ausLima,
Tanja

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen